Wohnen Werkeln Wickeln – Erfahrbare Konstruktion in zeitgemäßer Holzarchitektur
Entwurf von Julian-Maurice Küsters, Andreas Nätscher und Melina Sehn / Master Architektur
Wie lässt sich ein Quartier gestalten, das Generationen verbindet und Zukunft baut? Der Entwurf Wohnen Werkeln Wickeln – Erfahrbare Konstruktion in zeitgemäßer Holzarchitektur setzt sich mit dem IBA-Projekt »Quartier der Generationen« in Schorndorf auseinander und entwickelt es architektonisch weiter. Mit einem Ensemble aus Werkstatthaus und Kindertagesstätte entsteht im Westen des Quartiers ein lebendiger Auftakt, der Holzbau, Gemeinschaft und Alltagsleben überzeugend verbindet. Verfasst wurde die Arbeit von Josephine Eva Klatt und Malte Lars Henningsen im Masterstudium Architektur und Holzbau an der Technischen Universität Graz.
Raumbildender Auftakt und urbane Identität
Im Westen des neuen Quartiers der Generationen in Schorndorf formuliert ein Ensemble aus einem viergeschossigen Werkstatthaus und einer zweigeschossigen Kindertagesstätte einen prägnanten städtebaulichen Auftakt. Zwischen ihnen spannt sich ein gemeinschaftlich genutzter Platzraum auf, der als sozialer Vermittler, Knotenpunkt und adressbildendes Zentrum fungiert. Das Ensemble verwebt pädagogische, produktiveund wohnfunktionale Programme zu einer architektonischen Dichte, die dem Leitbild der »produktiven Stadtregion« der IBA’27 konkrete Gestalt verleiht.
Tragwerk als architektonisches Argument, Ressourcenlogik und Reversibilität
Beide Gebäude folgen den Prinzipien eines zirkulären, sortenreinen Holzbaus mit hohem Vorfertigungsgrad. Modulare Rasterung, materialgerechte Details und mechanisch lösbare Verbindungen sichern ökonomische und ökologische Optimierung sowie langfristige Adaptierbarkeit und Rückbaubarkeit. Leimbasierte Bauteile werden
reduziert, Tragwerke auf Abbrand bemessen und durch verdübelte Brettstapeldecken ergänzt. Fassaden sind als vorgehängte, hinterlüftete Systeme konstruktiv klar, thermisch leistungsfähig und gestalterisch präzise ausgeführt. Die Gebäude verstehen sich als reversible Rohstoffspeicher und leisten einen Beitrag zum
ressourcenschonenden Bauen im Sinne des »Urban Mining«.
Werkhaus als Strukturträger für Produktivität und experimentelle Wohnvielfalt
Der viergeschossige Baukörper des Werkstatthauses bildet das konstruktive Rückgrat eines hybriden Nutzungskonzepts. Das Zangenprinzip aus Drillings-BSH-Trägern und aufgedoppelten Vollholz-Stützen im gleichmäßigen Achsraster wird durch aussteifende Brettstapeldecken und einen zentralen Erschließungskern ergänzt. Die Tragstruktur tritt nicht verborgen, sondern als gestalterisches Leitmotiv in Erscheinung. Eine Fassadenstaffelung mit auskragenden Obergeschossen verweist auf Fachwerktraditionen und dient zugleich dem
konstruktiven Holzschutz. Die Gebäudehülle aus handgespaltenen Lärchenschindeln verleiht dem Baukörper eine robuste tektonische Präsenz. Drei Wohnmodelle, Schrankwohnungen, kollektives Wohnen und disponibles Wohnen, reagieren auf unterschiedliche Lebensstile und soziale Dynamiken.
Ein transluzentes Raumkontinuum für frühes Lernen
Die Kindertagesstätte entfaltet sich als zweigeschossiger Holzskelettbau mit ostorientierten Sheddächern, die weiches Morgenlicht tief ins Gebäudeinnere lenken. Ein klar strukturiertes Stützenraster, sichtbare
Brettschichtholzträger und Brettstapeldecken vermitteln konstruktive Ordnung und Maßstäblichkeit. Die transluzente Fassade aus wiederverwendeten Polycarbonat-Wellplatten rhythmisiert den Baukörper und verleiht ihm Leichtigkeit. Im Inneren ordnen dienende Zonen die Gruppenräume und schaffen Orientierung. Bewegungsflure erweitern sich zu spieloffenen Raumzonen, ein Atrium verbindet beide Geschosse zu einem offenen Raumkontinuum. So wird die Kindertagesstätte zu einem ganzheitlichen Lern- und Lebensraum, der kindliche Wahrnehmung anspricht und frühe Bildungsprozesse begleitet.
Architektur als soziale und materielle Struktur
Das Ensemble demonstriert eine architektonische Offenheit, funktionale Vielfalt sowie konstruktiven Fokus. In der Überlagerung von Bildung, Produktion und Wohnen entsteht ein wandelbarer Stadtkörper, der nicht nur Raum bereitstellt, sondern in seiner Ausführung eine Haltung formuliert. Dem Prinzip der Reversibilität folgend sind alle Bauteile sortenrein trennbar und wiederverwendbar. So vereint das Projekt architektonische und technische Innovationen mit Antworten auf die Herausforderungen des Klimawandels und des gesellschaftlichen Wandels.
Ein Quartier der Generationen, welches Wohnen, Arbeiten, Lernen und Gemeinschaft neu denkt.
Studierende
Julian-Maurice Küsters
Andreas Nätscher
Melina Sehn
Betreuer
Univ.-Prof. Tom Kaden
Dipl.-Ing. Stefan Leitner
