Alles bleibt Veränderung
Masterarbeit Stadtplanung von Elias Evirgen
Der Entwurf für das Schwaben-Bräu-Areal in Stuttgart-Bad Cannstatt von Elias Evirgen setzt auf eine behutsame, bestandsorientierte Transformation mit Fokus auf sozialer Durchmischung, nachhaltiger Stadtstruktur und klimaangepasster Gestaltung. Historische Elemente und bestehende Ressourcen werden integriert, während flexible, zukunftsfähige Strukturen neue Nutzungen ermöglichen. So entsteht ein lebendiges Quartier, das Wandel als kontinuierlichen Prozess begreift.
Städte im Wandel – Ausgangslage und Entwurfsansatz
Städte sind seit jeher Orte des Wandels. In ihnen akkumulieren sich gesellschaftliche, kulturelle und soziale Fortschritte, aber auch Herausforderungen wie Flächenversiegelung, ein hoher CO₂-Ausstoß durch das Bauwesen, Auswirkungen der Klimakrise, Ressourcenverbrauch und Wohnraummangel. Die Arbeit setzt sich mit diesen Themen auseinander und betrachtet sie im Kontext einer bestandsorientierten Transformation. Der Fokus liegt auf dem städtebaulichen Entwurf für das »Schwaben-Bräu-Areal« in Stuttgart-Bad Cannstatt.
Entwurf und Maßnahmen – Stadtstruktur, Nutzung, Klima
Das Konzept sieht eine behutsame Integration in die bestehende städtebauliche Struktur vor, während es zugleich einen eigenen, identitätsstiftenden Charakter ausbildet. Eine Blockrandbebauung dient dabei der Lärmminderung, insbesondere durch den nahegelegenen Verkehr und die Bahngleise, und schafft einen geschützten Innenhof als hochwertigen Aufenthaltsraum. Die Höhenstaffelungen der Gebäude fügen sie sich harmonisch in das Umfeld, während punktuelle Hochpunkte als Orientierungselemente und städtebauliche Akzente dienen. Diese setzen an der prominenten Lage am Bahnhof Bad Cannstatt markante Zeichen und schaffen ein attraktives Eingangstor nach Bad Cannstatt.
Neue Wegeverbindungen für Fußgänger:innen und Radfahrer:innen vernetzen das Areal mit dem Bahnhof und den umliegenden Stadtbereichen. Verkehrsflächen werden reduziert, Parkraum minimiert und der öffentliche Raum durch Gehwege, Aufenthaltsflächen und begrünte Zonen deutlich aufgewertet. Dachflächen werden als öffentlich zugängliche Erholungsräume genutzt. Neue Baumpflanzungen, Wasserflächen und zusätzliche Grünflächen verbessern das Mikroklima und tragen zur Anpassung an den Klimawandel bei.
Das Nutzungskonzept beruht auf einer Durchmischung bestehender und neuer Funktionen. Neben Wohnen und Arbeiten werden Gastronomie-, Kultur- und Gemeinschaftsflächen das Erdgeschoss beleben und zur sozialen Interaktion beitragen. Experimentelle Wohnformen wie Cluster-Wohnungen und Kurzzeitwohnen fördern eine soziale Vielfalt. Ergänzend erweitern Forschungseinrichtungen, Coworking-Spaces und Bildungsangebote das Nutzungsspektrum. Ein besonderer Fokus liegt auf der Schwaben-Bräu-Passage, einem historisch bedeutsamen Element des Areals, das zu einem lebendigen Kulturzentrum weiterentwickelt wird.
Transformation als Prozess – Ressourcen, Flexibilität, Vision
Um diese Transformation zu ermöglichen, werden nicht mehr zukunftsfähige Bestandsstrukturen wie das Parkhaus rückgebaut. An dessen Stelle entsteht eine multifunktionale Gemeinschaftshalle, die als sozialer Ankerpunkt dient und bestehende soziale Strukturen stärkt. Gleichzeitig werden freiwerdende Ressourcen recycelt und in neuen Baukörpern wiederverwendet. Eine Werkstatthalle für Materialaufbereitung wird eingerichtet, um den Kreislaufgedanken dauerhaft im Areal zu verankern.
Die Entwicklung des Areals ist von einem dynamischen Planungsprozess geprägt, der zukünftige Anpassungen ermöglicht. Die baulichen und organisatorischen Strukturen sind flexibel gestaltet, sodass sie sich an veränderte Anforderungen anpassen können. Durch diese Herangehensweise wird die langfristige Nutzbarkeit des Areals gesichert. Der Entwurf verfolgt damit eine zukunftsorientierte Strategie, die Transformation als stetigen Prozess begreift und fortlaufend weiterentwickelt.
Insgesamt zeigt dieser Entwurf auf, wie historische Elemente, bestehende Ressourcen und aktuelle Bedarfe in ein ganzheitliches Konzept integriert werden können, um eine nachhaltige und lebendige Stadtstruktur zu schaffen. Letztlich kann der Entwurf als eine Vision verstanden werden, die die bestandsorientierte Transformation des Areals aufzeigt. In diesem Sinne verdeutlicht der Entwurf die Essenz jeder Stadtentwicklung: »Alles bleibt Veränderung!«
Zur Masterarbeit
Grazyna Adamczyk-Arns, Projektleiterin bei der IBA’27: »Noch vor wenigen Jahren wurde der Umgang mit dem Bestand fast ausschließlich im denkmalpflegerischen Kontext diskutiert – heute ist er in aller Munde. Es ist erfreulich zu sehen, wie viele Student:innen dieses zukunftsweisende Thema für sich entdeckt haben. Denken und Handeln im Bestand ist nicht nur in jeder Hinsicht sinnvoll, sondern eröffnet auch neue kreative Spielräume und macht Spaß! Diese Arbeit beweist das eindrucksvoll: Sie betrachtet die Entwurfsaufgabe aus unterschiedlichen Perspektiven und schafft es, die vielfältigen Aspekte zu einem schlüssigen Ganzen zusammenzuführen. Es wird deutlich: Auf Quartiersebene lassen sich aktuelle Herausforderungen besonders effizient und wirkungsvoll umsetzen.«
Student
Elias Evirgen
Betreuer
Prof. Dr.-Ing. Gunther Laux
Sascha Bauer