Garagen Regal

Bachelorarbeit Architektur von Julie-Marie Bettinger

Die Arbeit »Garagen Regal« von Julie-Marie Bettinger stellt einen neuartigen Stadtbaustein vor, der Wohnen, Arbeiten und Lagern verbindet. Es reagiert auf urbane Herausforderungen wie Platzmangel, Ressourcenknappheit und das Bedürfnis nach gemeinschaftlicher Nutzung – und entwickelt daraus eine architektonisch und sozial tragfähige Lösung.

Ein neuer Stadtbaustein für urbane Herausforderungen

Die Fragen, die durch die Herausforderungen der heutigen städtischen Raumbedürfnisse aufkommen, könnten mit der Entwicklung eines neuen Stadtbausteins beantwortet werden. Das Mischen von Lebensraum, Lagerraum und Orten des Lernens könnte nicht nur nachhaltiges Handeln und kreative Gemeinschaften in ressourcenbewussten urbanen Umgebungen fördern, sondern auch den Platzmangel in Zeiten der Urbanisierung und Wohnungskrise reduzieren.

Das Garagen Regal ist ein vielseitiger Stadtbaustein, der Leben, Lernen und Lagern miteinander verbindet und eine Plattform für Kreativität, gemeinschaftliches Arbeiten sowie ressourcenschonende Lösungen schafft. Es befindet sich im Veielbrunnenweg in Bad Cannstatt, neben dem denkmalgeschützten Park mit dem Veielbrunnen.
Dieser Brunnen ist heute ein markantes Wahrzeichen des Stadtteils, umgeben von städtebaulichen Entwicklungsprojekten, die die Infrastruktur und Lebensqualität in der Umgebung verbessern sollen.

Das Konzept des Garagen Regals greift die soziokulturelle Bedeutung der DDR-Garage auf, die ursprünglich als Stellplätze für den Trabi gedacht war, aber weit mehr als nur eine praktische Funktion zum Lagern und Aufbewahren erfüllte. Diese Garagen wurden zu Orten des Austauschs, des Lernens und des gemeinschaftlichen Lebens. Das Garagen Regal überträgt diese Idee in den heutigen Kontext, in dem wirtschaftlich orientierte Selfstorage-Häuser boomen.

Architektur und städtebauliche Einbindung

Es zeigt, dass Räume, die ursprünglich für »Dinge« gedacht waren und sind, auch als Orte für Freizeitgestaltung, Kreativität und Selbstverwirklichung genutzt werden können. Die drei Baukörper fügen sich in das Stadtbild ein, anstatt als Fremdkörper zu wirken. Das Bauensemble orientiert sich an der Geschosshöhe der umliegenden Bebauung.

Die horizontale Erschließung erfolgt über einen Ankommensplatz im Norden, der durch das Zurückversetzen des ersten Baukörpers entsteht und an den umgestalteten, barrierefreien, denkmalgeschützten Park am Veielbrunnen anknüpft. Dieser besitzt nicht nur einen historischen Wert, sondern dient auch als wichtiger öffentlicher Raum zur Belebung und Vernetzung.

Die Regalstruktur vernetzt die drei Baukörper zu einem städtebaulichen Ensemble. Das Gerüst in Stahlskelettbauweise lässt Dinge erreichen, verbinden und, in Form eines Stadtregals, lagern und ausstellen.
Es entsteht Raum für vielfältige Garagen, die den Nutzer.innen Platz zum Werkeln, Basteln, Lagern, Musizieren und Experimentieren schaffen.

Die Struktur des Regals ist unabhängig von den Garagen in Holzskelettbauweise und kann sich so an dynamische Nutzungen anpassen.
Das Garagen Regal besitzt circa 50 individuell anmietbare Garagen.
Ergänzend dazu gibt es gemeinschaftlich genutzte Garagen sowie Wohnraum mit insgesamt 20 verschiedenen Wohnungstypen.

Programmatische Vielfalt und soziale Nutzung

In den ersten beiden Geschossen befinden sich zusammengeschaltete gemeinschaftliche Nutzungen: Bricolage, Start-up, Event sowie ein Späti.
In den oberen Wohngeschossen treten die individuell anmietbaren Garagen in drei Formen auf: als externe Garagen mit direktem Zugang zur Regalstruktur, als Co-Working-Garagen, die zwei Wohnungen zusammenschalten können, und als Plusgaragen, die zusätzlich zu einer Wohnung angemietet werden können.

Das Ankommen über den Veielbrunnenweg ermöglicht im Norden das Abstellen der Transportmittel oder die Erschließung über den Park.
Dort trifft man auf die Verwaltungsgarage und die zusammengeschalteten Bricolage-Garagen. In diesen luftigen Räumen finden sich Möglichkeiten, alte Dinge zu recyceln, zu reparieren und upzucyclen.

An die gemeinschaftliche Einheit schließen sich die individuellen Garagen an, die stets nach außen ausgerichtet sind. Diese Anordnung fördert das »Gegenseitige Gegenüberstehen« und ermöglicht Blickkontakte, ähnlich wie in den Garagenhöfen der DDR-Zeit.

Im großen zweiten Baukörper befinden sich im Erdgeschoss der Späti, die Spielgarage und ein Grillplatz, die den Platz und den Park am Veielbrunnen beleben sollen. In den gemeinschaftlichen Garagen können Start-ups offene Arbeitsräume oder individuelle Garagen anmieten. Diese bieten Raum, um Projekte von der Ideenfindung bis zur Skalierung zu begleiten.

Weiter durch den zweiten Baukörper gelangt man zu einem weiteren Grillplatz, individuellen Garagen und den gemeinschaftlichen Eventgaragen, die für kulturelle Veranstaltungen oder private Feiern genutzt werden können. In den Obergeschossen werden die Garagenzwischenräume durch die Regalstruktur sozial und räumlich miteinander vernetzt. In diesem Zwischenraum docken plattformartig weitere gemeinschaftliche Nutzungen wie die Gärtnergarage oder ein Materiallager an.

Die Garagen sind hier sehr transparent und luftig gestaltet, um zahlreiche Blickbeziehungen und soziale Interaktionen zu ermöglichen.
Ab dem dritten Geschoss werden die gemeinschaftlichen Garagen, die an die individuellen Garagen andocken, in Wohnungen umgewandelt.
Das gilt teilweise auch für die individuellen Garagen, wobei die Struktur des Systems erhalten bleibt.

Nördlich orientiert befindet sich der Laubengang, südlich die Balkonstruktur. Je Baukörper sind drei verschiedene Wohnformen zu finden: Im ersten Baukörper das Maisonette-Wohnen, im zweiten 1- bis 5-Zimmer-Wohnungen und im dritten Clusterwohnungen.

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Zur theoretischen Grundlage der Arbeit

Andreas Hofer, IBA’27-Intendant: »Inspiriert von der Garage als informellem Ort der kreativen Produktion (amerikanische Start-Up-Kultur, aber auch Garagen in der DDR) und der Stapelung von Containern schlägt die Entwerferin Garagenregale vor. Bis zu sechs Geschosse hoch, in mehreren Reihen in sich und zueinander versetzt entstehen loftartige Atelierräume, die sich für unterschiedlichste Nutzungen eignen. Die Räume sind als Holzmodule konstruiert, die sich durch Öffnungen in den Seitenwänden zu größeren Einheiten verbinden lassen. Ein vorgestelltes Stahlregal dient als Erschliessung und informeller Aussenraum. Während die Struktur mit ihrem rauhen industriellen Charme ein intensives, ständig wandelbares Leben in den Zwischenräumen verspricht, dass sich gut in einem innerstädtischen Hofraum vorstellen lässt und lässig die Grenzen zwischen Kulturraum, Arbeit und Wohnen überwindet, stellen sich auf der technischen und ökonomischen Ebene ein paar Fragen, die in einer Überarbeitung adressiert werden müssten. Der Wille möglichst vielen Funktionen Raum zu bieten führt zu vielen Anpassungen und Sondertypen und die Kompaktheit leidet durch die vielen Vor- und Rücksprünge. Die selbstbewusste Mischung von Konstruktionen und Funktionen überzeugt aber und ist ein inspirierender Beitrag zur Diskussion der Nachverdichtung und der produktiven Stadt.«

Studentin

Julie-Marie Bettinger

Betreuer

Prof. Nicolas Schwager

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