Brückenquartier: Städtebaulicher Entwurf für die Konversion des Krankenhausareals in Sindelfingen
Masterarbeit von Philipp Seil
Wie kann aus einem ehemaligen Krankenhausareal ein lebendiges, zukunftsfähiges Quartier entstehen? Der Entwurf »Brückenquartier« transformiert das IBA’27- Projekt »Krankenhausareal Sindelfingen« in ein sozial durchmischtes Viertel, das Bestand und Neubau klug verbindet. Durch modulare Bauweisen, gemeinschaftliche Wohnformen und flexible Grundrisse entsteht ein offenes Gefüge, das Nachhaltigkeit, Baukultur und Inklusion vereint. Verfasst wurde der Entwurf als Masterarbeit von Philipp Seil im Studiengang »Zukunftssicher Bauen« an der Frankfurt University of Applied Sciences.
Bestand und Weiterentwicklung
Alle als erhaltenswert eingestuften Gebäude des Krankenhauses bleiben im Entwurf weitgehend bestehen. Ergänzt werden sie durch Neubauten, die nachhaltige Ansätze wie modulares Bauen, gemeinschaftliche Wohnformen und flexible Grundrisse integrieren. So entsteht eine vielfältige soziale Mischung und ein Quartier mit hochwertigen, inklusiven Räumen für den Austausch. Die Neubauten orientieren sich in Maßstab und Struktur am Bestand und setzen diesen architektonisch neu in Szene. Zwei zentrale Plätze bilden den Schwerpunkt des Quartiers und stärken das Miteinander. Offene Bauweisen und Grünschneisen halten den umliegenden Wald sichtbar und erlebbar. Charakteristisch sind sieben Stege und Brücken, die öffentlich zugänglich sind und als identitätsstiftende Elemente wirken. Sie vernetzen die Gebäude und prägen den Namen des Quartiers.
Transformation des Hauptgebäudes
Das ehemalige Hauptgebäude spielt eine zentrale Rolle im Entwurf. Seine Fassade nutzt die ursprüngliche Steinfassade des Bestandsgebäudes, die neu interpretiert und modern umgesetzt wird. Dadurch entstehen blickgeschützte Freibereiche mit hoher Aufenthaltsqualität, während die Wiederverwendung des Materials ökologische Vorteile schafft. Die architektonische Gestaltung verleiht dem Gebäude und somit dem gesamten Quartier eine besondere Strahlkraft und Identität.
Weiterbauen im Bestand
Insgesamt bleibt der Charakter des Bestands spürbar: Der neu entstehende dritte Flügel des ehemaligen Schwesternwohnheims fügt sich harmonisch ein, ist jedoch durch Materialität und Form klar als Neubau erkennbar. Der bestehende Schornstein wird zudem als Sockel für ein Windrad genutzt und symbolisiert so die Verbindung von Alt und Neu. Auf diese Weise entsteht ein zukunftsfähiges Quartier, das Nachhaltigkeit, Innovation und Baukultur vereint.
Quartiersverständnis und Kriterien für nachhaltige Quartiere
Quartiere sind keine klar abgegrenzten Räume, sondern entstehen in der Wahrnehmung ihrer Bewohner:innen. Um Identifikation und Engagement zu fördern, muss ein eigenständiger Quartierscharakter durch Baukultur, Raumgestaltung und soziale Faktoren geschaffen werden. Zwar können Quartiere globale Probleme wie Klimawandel oder soziale Ungleichheit nicht allein lösen, sie leisten jedoch durch lokale Maßnahmen einen wichtigen Beitrag zu den Sustainable Development Goals. Quartiere sind groß genug, um Synergien zu nutzen, und gleichzeitig klein genug, um flexible, zukunftsorientierte Planungen zu ermöglichen.
Für eine nachhaltige Quartiersentwicklung sind projektspezifische, messbare Kriterien erforderlich, die ökologische, ökonomische und soziale Aspekte ganzheitlich vereinen. Zentrale Ziele sind Inklusion, lokale Wertschöpfung und die Reduktion von Ressourcenverbrauch sowie Emissionen. Dabei darf die Wirtschaftlichkeit nicht allein dominieren. Die gebaute Struktur sollte flexibel, multifunktional und umnutzungsfähig sein sowie den gesamten Lebenszyklus berücksichtigen. Darüber hinaus sollten Kreislauffähigkeit und erneuerbare Energien einbezogen werden.
Ein nachhaltiges Quartier entsteht durch einen transparenten, inklusiven und kontinuierlichen Planungsprozess. Verwaltung, Planung und Bevölkerung sollen dabei gemeinsam innovative Lösungen fördern. Bewertungssysteme und Tools wie das Forschungsprojekt TRASIQ helfen dabei, Zielkonflikte zu erkennen und nachhaltige Strategien zu prüfen. Digitale Technologien wie KI und parametrisches Entwerfen werden Planungen künftig effizienter und ganzheitlicher machen. Leitfäden wie diese Arbeit bündeln Wissen, geben Denkanstöße und fördern eine nachhaltige Quartiersentwicklung weltweit.
Dr. Raquel Jaureguízar, Projektleiterin bei der IBA’27: »Das Brückenquartier zeigt eindrücklich, wie aus einem aufgegebenen Krankenhausareal ein sozial vielfältiges und zukunftsfähiges Stück Stadt entstehen kann. Der Entwurf verbindet Bestandsarchitektur, modulare Ergänzungen und räumliche Vernetzung zu einem Quartier, das Offenheit, Inklusion und eine präzise gestalterische Haltung vereint. Damit zeigt die Masterarbeit, welches Potenzial junge Planende für die Transformation komplexer Areale mitbringen und wie der bewusste Umgang mit dem Bestand neue Spielräume für eine zukunftsorientierte Entwicklung eröffnet.«
Student
Philipp Seil
Betreuer:in
Prof. Björn Gossa
Barbara Brakenhoff
